… Stellen Sie sich nun vor, dass Sie vor diesem vollen Wassereimer stehen, von dem Sie wissen, dass Sie ihn gleich heben und tragen werden. Dieser Gedanke muss Ihnen gar nicht besonders bewusst sein.
Blitzschnell erfasst unser Gehirn die Herausforderung und gibt die nötigen Signale an unseren Bewegungsapparat weiter.
Und schon die ersten dieser uns unbewussten Impulse zur Spannung passieren unmittelbar in Muskeln und den Sehnen, über die sie mit unseren Gelenken und Knochen verbunden sind.
Wo Kraft ausgeübt werden soll, ziehen sich die entsprechenden Gewebezellen zusammen, die mit unseren Knochen und Gelenken verbunden sind. Die Gegenspielermuskulatur lässt lang. So kann der Arm beim Hochziehen des Wassereimers gebeugt werden. Auf seiner Innenseite sind Muskeln und Sehnen verkürzt und gespannt, auf der Außenseite lang und nachgebend. Sie geben schon Impulse an unseren gesamten Bewegungsapparat weiter, üben Druck und Zug auf die beteiligten Gelenke aus, bevor wir den Wassereimer tatsächlich heben und dazu dann auch unsere größeren Muskeln sicht- und fühlbar spannen, auch wenn alles zusammengenommen innerhalb von Sekundenbruchteilen ablaufen kann.
Wer Spannung nicht wieder abbauen kann, wenn sie nicht mehr gebraucht wird und deshalb zuviel Stress mit sich herumträgt, lebt in einem Körper, der wie automatisch ständig angespannt und auf dem Sprung ist.
Solche schädigende Anspannung ist uns nicht immer offensichtlich: Sie kann unbemerkt sein, übersehen oder unterschätzt werden, zumal die auslösende Situation schnell vorüber oder so gewohnt sein kann, dass man sie für normal hält. Sie bedeutet in jedem Falle unnötigen Stress. Seine Höhe und die Qualität von Körperhaltung und Körperbewegung bedingen sich wechselweise.
Manche Menschen spannen bei Stress sichtbar und tastbar auch größere bzw. mehr Muskeln an. So sehr, dass ihre Mitmenschen das auch sehen bzw. ertasten können und feststellen: „Du bist ja ganz verkrampft!“. Sie geben dann meist die Aufforderung zum Lockerlassen: „Nun entspann dich mal!“
In dem Maße, in dem Anspannung Teil des normalen Körperempfindens geworden ist, sind wir ihr gegenüber in unserem eigenen Körper blind: Wir fühlen sie nicht mehr und empfinden sie deshalb auch nicht als unangenehm. So lange wir uns gesund fühlen, sehen wir dann weder eine Notwendigkeit noch eine Möglichkeit für Veränderung. Als ich an rheumatoider Arthritis erkrankte, konnte ich nicht mehr fühlen, was mich eigentlich so krank machte. Aber ich konnte wieder lernen, meine Anspannung rechtzeitig zu fühlen und abzubauen.
Stress und Anspannung überlasten uns, wenn sie auf uns:
dauerhaft gleichbleibend
oder
kurzfristig zu stark einwirken.
Entspannt man sich nicht oder nur unzureichend, bleibt Anspannung zurück. Wird Anspannung nicht rechtzeitig ausreichend abgebaut, sammelt sie sich an, breitet sich aus und wirkt auch auf unsere Gelenke überlastend.
Wenn Überlastung durch Anspannung krank macht, dann reichen unsere entlastenden Momente der Ruhe und Entspannung nicht mehr aus, gehen nicht mehr tief genug, um eine Überlastung zu verhindern.
Für meinen Körper bedeutete die Überlastung:
Meine Belastungsobergrenze ist überschritten.
In Bezug auf Erkrankungen des Bewegungsapparates werden deshalb beim HeilÜben zwei Arten der Entwicklung von Erkrankungen durch überlastende Anspannung von Muskeln und Sehnen, die auch durch Fehlhaltungen mit ausgelöst und aufrecht erhalten werden, betrachtet:
1. Überlastende Anspannung führt zuerst zu Verspannung,
die sich im Körper ausbreitet und spätestens für den Physiotherapeuten sowohl gut tastbar ist als auch in Haltungsschäden und Bewegungseinschränkungen sichtbar wird. Muskuläre Schmerzen machen dann auf drohende Zerstörung aufmerksam – auch auf die Gefährdung der Gelenke. Bei übermäßiger Anspannung werden über Muskeln und Sehnen auch Knochen und Gelenke im wahrsten Sinne des Wortes in Mitleidenschaft gezogen, mit denen sie verbunden sind und so unüblichen, schädigenden Belastungen ausgesetzt. Die mechanische Zerstörung von knöcherner Substanz beginnt und bedingt in fortgeschrittenem Verlauf auch eine schmerzhafte Entzündung im Gelenk.
2. Überlastende Anspannung führt direkt zu Entzündung in Gelenken
Ebenso wie andere Menschen spanne auch ich meine Muskeln, um in vielen verschiedenen alltäglichen Bewegungsabläufen etwas zu halten und/oder zu bewegen. Meine gespannten und dabei zusammengezogenen und somit verkürzten (kontrahierten) Muskeln sind dann ebenso deutlich wie bei allen anderen sicht- bzw. tastbar. Um Stress nicht zu zeigen ließ ich früher jedoch meine größeren Muskeln sowohl in der Bewegung als auch in der Körperhaltung wesentlich lockerer als viele meiner Mitmenschen ohne meine Anspannung zu senken. Dadurch blieb ich aber nicht gesünder, denn egal, um wie vieles lockerer ich meine größeren Muskeln ließ, sammelte sich dann auch bei mir Anspannung an, waren bei Anspannung durch Stress und auch durch Fehlhaltungen automatisch Muskel- und Sehnenzellen an Knochen und Gelenken in überlastender Weise angespannt, die bei mir damals in unangenehmen Situationen mein Bedürfnis nach Bewegung und zugleich nach stillem Verharren weiterleiteten. Zunehmend ging dieses körperliche Spannungsverhältnis in meine Gewohnheit über. Was sich im Nachhinein betrachtet vor dem Ausbruch meiner rheumatoiden Arthritis am Gefühl situativer Bewegungsunsicherheit bemerkbar machte. Meine Gelenke litten an überlastenden Reizen wie dem unüblichem Druck und Zug durch die an ihnen befindlichen gespannten und/oder kontrahierten (zusammengezogenen) Sehnenzellen und den mit diesen verbundenen Muskelzellen, ohne dass größere Muskeln oder Sehnen auffällig angespannt waren. Meine RA erwies sich für mich während meiner HeilÜbungen als Folge solcher Überlastungen. Meine Gelenke entzündeten sich “von innen” ohne eine vorausgehende mechanische Zerstörung der knöchernen Struktur.
Die Wirkungsweise meines HeilÜbens zeigte mir, dass je nachdem, wie weit ich die tatsächliche Entspannung meiner zuvor doch so weich und entspannt erscheinenden Muskeln und Sehnen erreichte und mir dabei auch so manche Fehlhaltung abgewöhnte, der entzündliche und damit zerstörerische Prozess in meinen Gelenken zurückging und mit ihm der Entzündungsschmerz. Als ich in Folge dessen dauerhaft unter meiner Belastungsobergrenze bleiben konnte, heilte meine rheumatoide Arthritis aus.
Ausheilung von der überlastungsbedingten RA bedeutet aus der Sicht des HeilÜbens, dass der zerstörerische, chronisch entzündliche Prozess letztlich dauerhaft zum Erliegen kommt. Es wird dabei zwischen der Erkrankung selbst und deren möglichen Folgeschäden unterschieden.
Zum nächsten Artikel bitte hier entlang:
Manja