Die Aufschieberitis-Falle

 Je größer Schwierigkeiten erscheinen und je verzwickter bestimmte Situationen sind, umso schneller sage ich mir auch heute noch: Ich möchte mich lieber erst einmal so lange ausruhen, mir eine Schokolade oder eine Tasse Tee holen, bis ich stark genug bin, alles das, was anliegt, zu schaffen. Es kommt aber darauf an, dieses „erst einmal“ im Blick zu behalten, damit es nicht alles bleibt, was ich überhaupt erreiche. Sonst schiebe ich bestimmte Dinge nur auf und erreiche viel weniger von dem, was ich eigentlich wollte.

Ruhe und Aufmerksamkeit auf uns selbst z. B. in einer Übungssituation lassen natürlich auch so manches, was uns im Kopf herum geht, wie Gefühle, Sorgen, Fragen, Regelungsdinge, Bedürfnisse deutlicher hervortreten. Mal ist es stiller in uns und mal wie in einem Bienenstock, in dem einiges lauter und dringlicher ist, während anderes im Hintergrund summt. Deshalb dachte ich damals, dass ich erst einmal die perfekte Situation zum HeilÜben herstellen müsste, in der alles erledigt und störungsfrei wäre. Dann hätte ich auch die nötige Ruhe und Zeit und alles würde ganz toll. Die perfekte Situation kam aber äußerst selten und so gewöhnte ich mir an, immer ein Ohr darauf gerichtet zu halten, ob alles störungsfrei wäre. Jedes Teekochen wurde vorgezogen, damit es nachher nicht störte. Ich dachte, bevor nicht alles still und erledigt wäre, wäre ich nicht fit genug zum HeilÜben.

Der Schmerz brachte mich zurück zu meinem Heilungswunsch, er wartete nicht, bis der Tee fertig war.

So begann ich damit, meine HeilÜbungen inmitten meines Alltags durchzuführen. Trotzdem. Beharrlich nebenher, in all der Müdigkeit, in all den Schmerzen und Einschränkungen während der RA. So lernte ich, meine Aufmerksamkeit zu teilen und übte mitten im Alltagschaos. Die stille Insel war die Ausnahme, aber es ging auch ohne. Dabei geht auch mal was daneben, das Rührei brennt gern an oder das Kind malt derweil aus der Familienpackung Gesichtscreme etwas Schönes an die Wand. Ich bin eben noch im Training, sagte ich mir in solchen Momenten und übte weiter.

Bestimmte Erledigungen aufzuschieben, hat seine Gründe. Wir wollen uns zuerst pflegen, bis wir wieder fit sind, besonders dann, wenn uns die vor uns liegende Arbeit zu viel oder zu schwer erscheint. Eine Art der ‘Aufschieberei’ ist es auch, sich mit allem anderen derart zu überlasten, dass zu wenig Zeit und Kraft für Dinge übrig bleiben, die unangenehm, weil ungewohnt oder auch verunsichernd sind, dafür aber tatsächlich notwendig wären.

Wir können uns gegen das Aufschieben jedoch behelfen, wenn wir nur wissen, wie. Wir können unsere Arbeiten in machbare und überschaubare Schritte einteilen. Wenn mir das mal nicht so einfach gelingen will, nehme ich mir Zettel und Stift und bringe mein Problem zu Papier (je nach Bedarf auch mehrmals in verschiedenen Entwürfen bis es passt) oder suche ein hilfreiches Gespräch. Auch und gerade dann, wenn ich noch keine Lösung für mein Problem weiß und es teilweise selbst noch nicht besonders gut beschreiben kann. Tue ich das, stellt sich eventuell sogar schon ein hilfreicher Gedanke zu einem Punkt ein oder kann ich schon etwas komplett erledigen, dann esse ich meine Schokolade genau dafür. Ich belohne mich und verstärke so meine Freude an meinen Aktionen und daran, dass ich weitergegangen bin. Im anderen Fall würde ich ja meine Gefühle von Trost, Unsicherheit, Ratlosigkeit, Versagen, Traurigkeit mit der Schokolade, also mit der Belohnung, verbinden.

So wurde ich zum Lücken- und Möglichkeiten-Finder und hatte damit Erfolg. Wichtig war vor allem, dass ich immer ganz genau wusste, was ich wollte: meine Ausheilung von der entzündlichen Gelenkerkrankung. Auch wenn mein Körper noch nicht so mitspielte mit meinen Gedanken konnte ich machen, was ich wollte. Während meines Lebens mit der rheumatoiden Arthritis, das für mich wie ein anstrengender Marsch bergauf ohne ein Ende in Sicht war, dachte ich mir Übungen gegen die Erkrankung aus, die in meiner Situation ausführbar waren. Ich dachte daran, dass ich jetzt Durchhaltevermögen gut brauchen könnte und mehr Achtsamkeit, meine Kräfte auf dem Wege gut einteilen müsse und auch mein Atmen beachten, dass ich Hoffnung brauchte, eine Idee fürs Leben nach der Ausheilung oder besser noch gleich mehrere und genaue Vorstellungen davon, wie ich dann bewegen können würde: leicht und frei.

Deshalb übte ich mitten in der Krankheit, mitten in der Müdigkeit, mitten in der Angst, mitten in den Sorgen, beim Händewaschen, beim Essen, beim Schuhputzen, beim Blumengießen … und wartete nicht mehr auf eine Verbesserung vorab, auf erst einmal genügend Entlastung und Pflege, oder darauf, dass zuerst andere etwas tun, um mit dem HeilÜben zu beginnen. Ich übte in allen Situationen, egal wie mehr oder weniger günstig diese auch zu sein schienen.

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Manja und das HeilÜben-Team

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Wenn Sie mehr über meine Erfahrungen mit der Ausheilung meiner rheumatoiden Arthritis vor über 20 Jahren und das HeilÜben lesen möchten, finden Sie hier eine Übersicht:

 

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