Für die Zeit, in der du trotz Anfangssymptomen noch über Beweglichkeit und Gefühl in deinen Händen und Füßen, in deinen Armen und Beinen verfügst:
Es ist Zeit zu heilen.
Für die Zeit, in der du mehr Schmerzen hast und eingeschränkter in deinen Bewegungen geworden bist:
Es ist Zeit zu heilen.
Für die Zeit, in der du traurig, ratlos und müde bist:
Es ist Zeit zu heilen.
Für die Zeit, in der sich nur noch dein Kopf zu erinnern scheint, wie es sich anfühlt, gesund zu sein:
Es ist Zeit zu heilen.
Keine Zeit für Heilung?
Anderes ist wichtiger?
Unsere Ziele erreichen wir am ehesten gesund!
Ohne RA erreichen wir besser, was wir uns für uns selbst wünschen.
Wir sind beides: der Weg zu unseren Zielen und das Ziel unserer Wege.
Das Krankheitsleid kann den Blick für Wesentliches schärfen und ein intensiveres Erleben mit sich bringen. Das war die Chance, die ich nutzte, um aus der rheumatoiden Arthritis herauszukommen, denn:
Durch den Entzündungsschmerz wurden Stress, Anspannung und Überlastung in meinem Körper für mich offensichtlicher und damit besser veränderbar.
Wenn auch auf unangenehme Weise, so ließ er mich genau in den Bereichen wieder besser fühlen, die ich mit meiner Körperhaltung und -bewegung unwissentlich überlastet hatte. Dadurch eröffnete sich mir eine Möglichkeit, meine Körperwahrnehmung insgesamt zu verbessern. Heute kann ich in meinem Alltag viel genauer erkennen, welche Empfindung auf eine Überlastung hinweist und welche nicht. Beispielsweise, ob ich gerade übermäßige Anspannung empfinde oder mit den Dehnungsübungen in meinem Work-out fortfahren kann, die auch nicht immer angenehm sind.
Solange ich diese Chance nicht erkannte, war ich in Bezug auf Ausheilung resigniert und hatte in Ermangelung einer anderen Lösung Medikamente als stetige Begleiter in Kauf genommen. Zudem empfand ich mein Leben dennoch als sinnvoll und befriedigend, weil meine rheumatoide Arthritis ja längst nicht alles war, was mich ausmachte. Resignation in Bezug auf Ausheilung kann zu dem folgenschweren Versuch führen, die Erkrankung als festen Bestandteil in sein Leben zu integrieren. Man gewöhnt sich. Man richtet sich ein. Man rationalisiert: Ich tue doch schon alles, was möglich ist. Mein Handeln ist vernünftig. Es ist das Einzige, Richtige und Beste, was ich in meiner Situation tun kann. Und damit lief ich in einem inneren Hamsterrad.
Dass das Leben auch mit rheumatoider Arthritis wert- und sinnvoll ist, wird hier nicht infrage gestellt. Mit der Weitergabe meiner Erfahrungen beschreibe ich, wie Ausheilung für mich möglich war.
Als ich mich damals noch auf ein Leben mit rheumatoider Arthritis einrichtete, war genau das ein Markstein in der Abwärtsspirale körperlichen Verfalls für mich. Denn wir bleiben nicht ohne Weiteres so, wie wir gerade sind. Deshalb brauchen wir ein tägliches aufbauendes Training für unseren Körper ebenso wie für unseren Geist.
Wenn ich lang anhaltend und/oder schwer durch Erkrankungen und Medikamente belastet bin, mindert das nicht irgendwann, sondern sofort direkt und unmittelbar meine Leistungsfähigkeit und damit meine Zukunftschancen, sagte ich mir.
Es ist nicht unbedingt nur der Zustand, in dem ich gerade bin, der mein höchster Antrieb zur Veränderung sein muss, sondern das, was damit aus mir werden kann.
Am wirksamsten können wir Hilflosigkeit durch gesunde, anatomisch richtige Bewegung als Teil einer gesunden Lebensführung vorbeugen und Verletzungsrisiken reduzieren. Indem wir uns beispielsweise auf mühelose und uneingeschränkte Beweglichkeit, Schnellkraft und Ausdauer trainieren, fordern wir unsere mentalen Fähigkeiten. Eines wirkt aufs andere.
Je weniger unser Körper von Erkrankungen und Medikamenten belastet ist, umso besser ist uns eine gesunde Bewegung überhaupt möglich. Dazu trug meine Ausheilung von der überlastungsbedingten rheumatoiden Arthritis wesentlich bei. Dies bedeutete für mich nicht einfach, dass dann, als Schmerzen, Entzündungen und chronischer Verlauf endeten, alles wieder so wie vordem war, denn einiges des „Vordem“ hatte ja erst bis zur RA geführt.
Die Ausheilung brachte ein besseres Verständnis für mich selbst mit sich. Ich erfuhr dabei mehr über meine körperlich-seelisch-geistigen Belange und wie durch sie meine Entspannung und Spannung beeinflusst werden.
Je besser unser Grundverständnis für gesunde Körperhaltung und -bewegung ist, umso besser können wir unsere Entspannung und unseren Krafteinsatz auch in herausfordernden Situationen willentlich positiv beeinflussen, was sich auf Körper, Seele und Geist entlastend, schützend und stärkend auswirkt.
Es gab aber auch für mich Sorgen, die ich lange mit mir trug. Dazu gehörte die Frage nach der Remission und dem möglichen Wiederaufflammen der RA.
Seit 06/1996 nehme ich keine Medikamente mehr und bin seit 03/2001 gänzlich symptomfrei. Ich hatte noch mehrere Jahre danach Sorge vor einem Wiederaufflammen der Erkrankung, vor einem Rückfall, dem nächsten Schub. Davor, dass ich nicht vollständig ausgeheilt sein könnte, sondern nur ein paar Wochen bis Jahre in Remission wäre. Das hätte bedeutet, dass die entzündliche Gelenkerkrankung noch vorhanden wäre, nur im Moment ohne Beschwerden und fortschreitende Schädigungen.
Das Erlebnis des chronischen Verlaufs meiner rheumatoiden Arthritis mit immer wiederkehrenden Schmerzen, Schwellungen, Einschränkungen war für mich lange Zeit Anlass für viele Fragen.
Werde ich die RA nun nie wieder richtig und komplett los? Ist sie nur etwas aufzuhalten und einzugrenzen?
Wie kann ich überhaupt Hoffnung auf Gesundung haben, wenn ich zugleich befürchte, dass die rheumatoide Arthritis “im Hintergrund” immer weiter Einfluss auf mich haben und jederzeit wiederkehren könnte? Sind meine Anstrengungen, mein HeilÜben, der ganze Aufwand nicht sinnlos, wird sich all das, was ich erfahren habe, als Irrtum herausstellen? Macht es dann überhaupt Sinn, zu üben?
Wie ich heute, über 24 Jahre später, an diese Fragen herangehe, ergibt sich aus dem, was ich auf meinem Weg aus der RA heraus gefunden habe: Als ich lernte, Überlastungen rechtzeitig wieder abzubauen, endete meine rheumatoide Arthritis. Deshalb nenne ich sie überlastungsbedingt.
Wir können lernen, uns absichtlich so zu halten und zu bewegen, dass sich keine übermäßige und damit direkt schädliche Anspannung in uns ansammelt und weiter wirkt. Ich erlebte dabei, wie meiner RA mit der aktiven und bewussten Verbesserung meiner Tiefensensibilität (Propriozeption) beim HeilÜben schrittweise die Grundlage entzogen wurde. Aus den HeilÜbungen hatten sich stabile gesunde Gewohnheiten entwickelt, während derer der chronische Verlauf meiner rheumatoiden Arthritis endete. Auf der Grundlage meiner bisherigen Erfahrungen vertrete ich die Ansicht, dass in der Qualität meiner Tiefensensibilität sowohl die Ursache als auch die Möglichkeit zur Ausheilung meiner RA lagen. Meine Erkrankung sehe ich deshalb als seit 24 Jahren ausgeheilt an.
Über meinen möglichen Weg in die RA hinein schlussfolgere ich rückblickend aus meinen Erfahrungen, dass sich die Qualität meiner Tiefensensibilität unter anhaltender Überlastung verschlechtern kann, was zu negativen Auswirkungen auf meinen Bewegungsapparat führt und auch zu einem chronischen Krankheitsverlauf in dieser Zeit.
Die Frage stellt sich für mich heute also nicht mehr nach einer Unabwendbarkeit eines chronischen Verlaufs, sondern danach, was für mein HeilÜben richtungsweisend war:
Wie komme ich noch während der RA wieder zurück unter meine Belastungsobergrenze und wie bleibe ich nach meiner RA im Wesentlichen auch dort?
Dass der Körper sich bei einer Autoimmunerkrankung selbst angreift, bedeutet nicht, dass er sich hasst.
In meinem Fall reagierte mein Körper entsprechend auf die ungünstige Behandlung, die ich ihm unwissentlich zukommen ließ.
Während meiner Ausheilung von RA vor über 24 Jahren kam ich zu dem Schluss: Nicht mein Körper griff mich an – ich überlastete meinen Körper und mein Immunsystem reagierte darauf mit Entzündung in den überlasteten Regionen. Es ging also nicht um irgendeine Art von Schuld an meiner Erkrankung, sondern um meinen Umgang mit meinem Körper. Und diesen Umgang mit mir selbst konnte ich ändern.
Dabei ist die Überzeugung von der rheumatoiden Arthritis als einer Autoimmunerkrankung, bei der sich der Körper selbst angreift, weil er sich hasst, recht populär.
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